Prüfer kontaktiert: Unzulässige Beeinflussung?

Eine Prüfungskandidatin erreichte in einer schriftliche Prüfung nicht die erforderliche Punktzahl um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Dagegen legte sie Widerspruch ein. Das Landesjustizprüfungsamt gab ihre Benotung zur Überprüfung an einen Prüfer. Die Prüfungskandidatin kontaktierte den Prüfer und bat um nähere Erläuterungen zu den Gründen der Notenvergabe. Das sächsische Justizprüfungsamt sah darin einen nach der sächsischen Justizausbildungs- und Prüfungsordnung unzulässigen Beeinflussungsversuch.

Das Prüfungsverfahren wurde abgebrochen und die Klausurnote nachträglich auf „ungenügend (0 Punkte)“ herabgesetzt. Begründung: Die notwendige Unbefangenheit des Prüfers im Rahmen der Überprüfung der vergebenen Benotung sei mit dem Anruf beeinträchtigt worden. Während des Gesprächs hat die Kandidatin den Prüfer darüber informiert, dass sie bereits zum zweiten Mal an der Prüfung teilnehme und nicht die hinreichende Punktezahl erreicht habe, um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden.

Die Prüfungskandidatin klagte. Das Verwaltungsgericht hob die Entscheidung auf und verpflichtete Landesjustizprüfungsamt das Prüfungsverfahrens fortzusetzen. Hiergegen legte das Landesjustizprüfungsamt Berufung eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage der Kandidatin ab. Das Bundesverwaltungsgericht folgte dieser Entscheidung nicht. Die von der Klägerin mitgeteilten Umstände waren nicht geeignet, die Unbefangenheit des Prüfers zu beeinträchtigen. Von einem verantwortungsbewussten und gewissenhaften Prüfer kann erwartet werden, dass er solche Mitteilungen richtig einzuordnen weiß und sich von ihnen im Rahmen seiner Bewertung nicht beeinflussen lässt. Daher war es nicht geboten, das Verhalten der Klägerin mit einer Sanktion zu belegen. Die vorgenommene Herabsetzung der Note auf „ungenügend (0 Punkte)“ verstieß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verletzte dadurch das Grundrecht der Klägerin auf Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.

Urteil: Bundesverwaltungsgericht Az.: 6 C 19.11 vom 21.03.2012

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